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Nürnberg
Warum durfte Märklin sein Angebot nachbessern?
LGB-Verkauf im Zwielicht
NÜRNBERG - Wer hat die LGB- Gläubigerversammlung am Donnerstag im Amtsgericht Nürnberg zu Lasten des Fortbestands des LGB-Standorts Nürnberg und von 75 bis 130 Arbeitsplätzen kippen lassen? Warum durfte Märklin durch einen Strohmann das Übernahmeangebot in dieser Versammlung noch mündlich nachbessern, obwohl es geheißen hätte: Nachbesserung ausgeschlossen!?
Diese und ähnliche Fragen könnten am ehesten die Banken beantworten, allen voran die Deutsche Bank und das US-Geldhaus Goldman Sachs. Doch die Großbanken hüllen sich in beredtes Schweigen und schützen Diskretion da vor, wo es lediglich darum geht, ein möglichst raffiniertes Geschäftsgebaren unter den Tisch zu kehren. In der Modellbahnbranche und unter ehemaligen LGB-Mitarbeitern dagegen gilt als ausgemacht: «Die LGB-Insolvenz ist doch nur ein abgekartetes Spiel zwischen allen Banken», wie es ein Ex-LGB-ler gegenüber der NZ formuliert.
Dieter Gall, zuletzt Produktionsleiter bei LGB und mit der Firma und den einstigen Eigentümern eng verbunden – «das war meine Familie» – teilt diese Einschätzung absolut. Er will auch nicht dementieren, was andere seiner Leidensgenossen aus der Gläubigerversammlung berichten: Obwohl der Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Steffen Goede, das unzulässige Märklinangebot wirsch zurück gewiesen und als nicht gültig beziehungsweise gesprochen erklärt hätte, sei dieses dennoch ins Protokoll aufgenommen worden, wissen die Insider.
Was sie maßlos empört und am Rechtsstaat zweifeln lässt, ist der Umstand, dass Märklin als potenzieller Übernehmer in der Gläubigerversammlung gar nicht zugelassen gewesen wäre. Diese Hürde hätten die Göppinger jedoch mit einem «raffinierten Trick» genommen: Ein Firmenvertreter habe ganz legal einen Ex-Lehmann-Mitarbeiter vertreten.
Der Märklin-Coup habe sich in der Modellbahnbranche wie das sprichwörtliche Lauffeuer verbreitet, berichten etwa Fachhändler teils anonym, teils ganz offen. Wie die Ex-LGB-Mitarbeiter empört auch sie die Rolle der Deutschen Bank. In der Gläubigerversammlung habe sie – ganz im Gegensatz zur Sparkasse Nürnberg – LGB im Stich gelassen, wird kritisiert.
Etliche LGB-Händler, die sich ebenfalls als Opfer sehen, raten denn auch den unterlegenen Bietern im LGB-Insolvenzverfahren, die Entscheidung pro Märklin anzufechten. Dass dies passieren könnte, scheint eher unwahrscheinlich, kennt der acht Monate dauernde Nervenkrieg um LGB doch zu viele Verlierer – allen voran die gekündigten Mitarbeiter. Die wenigsten von ihnen sind mittlerweile durch Eigeninitiative anderswo in Lohn und Brot gekommen, die meisten stehen vor dem Scherbenhaufen ihres Berufslebens – und nur zu oft auch vor dem finanziellen Ruin, wie sie berichten, ohne ihren Namen in der Zeitung lesen zu wollen.
Doch die Bauernopfer aus dem LGB-Deal der Banken denken nicht allein an sich. Sie erinnern auch daran, dass es mehr Geschädigte gibt: «Die Zahl der Betroffenen liegt sicherlich bei 300 bis 400 Menschen, denn es sind ja auch Vertreter, Händler, Zulieferer betroffen.» Nur zu sehr verstehen sie deshalb auch jene ihrer 15 bis 20 Ex-Kolleginnen und -Kollegen, die jetzt auf Anrufe von Märklin hin zurückkehren, «um LGB abzuwickeln»: Sie wollen nur überleben. Immerhin liege Ware im Wert von einer Million € seit Ende Januar in Lager und Versand, ebenso Halbfertigprodukte. Gibt es dafür noch einen Markt?, fragen sie sich halb zweifelnd, halb verzweifelt.
Rolf Syrigos